Im Interview mit K Line Europe-Gründer Dr. Sherif Kandil
Wir alle haben schon von 3D-Druck gehört, wofür steht 4D-Druck?
Ja, es stimmt, dass in der heutigen Zeit schon jeder von 3D-Druck gehört hat. 4D repräsentiert die Dimension der Zeit. Das bezieht sich auf die additive Herstellung oder das Drucken von speziellen Materialien, die bestimmte Speicherfähigkeiten aufweisen und in einem speziellen Schichtsystem auf dem 3-D Drucker hergestellt werden. Mit Hilfe von intelligenter Software wird vorgegeben, wie das Material sich mit der Zeit umformt.
Können Sie uns mehr über Ihre jüngsten Tätigkeiten im bereich der 4D-Technologie erzählen?
Nachdem ich die Idee des 4D-Drucks in der Kieferorthopädie patentieren ließ, setzte ich diese Technologie in unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Düsseldorf ein. Die 4D Drucktechnologie hat nicht nur die Meinungen von Ingenieuren, sondern auch die vieler Mediziner, über die Möglichkeiten und Chancen, die sich durch Einführung der 3D-Technologie ergeben haben, geändert. Ich habe mich darauf konzentriert, diese wissenschaftliche Methode auf Clear Aligner und kieferorthopädische Drähte mit Hilfe von fortschrittlichen 3D-Druckern und weiterentwickelten Meta-Materialien auszuweiten.
Da ich mich selbst als experimentierfreudig betrachte, therapiere ich derzeit meine eigenen Zähne mit Hilfe von durch das 4D-Druckkonzept hergestellten Clear Alignern. Ich zeichne alle Fortschritte strikt auf, da ich die Ergebnisse nach Abschluss der Behandlung in einer wissenschaftlichen Studie veröffentlichen werde.
Wie verändert 4D die Medizin im Allgemeinen und insbesondere die Kieferorthopädie?
Ich glaube in den nächsten zwei Jahren wird der 4D-Druck viele Ansätze verändern, mit denen wir derzeit unsere Patienten behandeln. Wenn Sie online nach 4D suchen, finden Sie sehr viele Ergebnisse und können sogar entdecken, wie die Medizin die erste und größte Veränderung durch diese Technologie erfährt. Bioingenieure versuchen, die 4D-Drucktechnologie einzusetzen, indem sie Gewebeteile ersetzen oder sogar Implantate und Schienen herstellen, die in unserem Körper platziert werden. Dies könnte vielen Menschen das Leben retten, da die 4D gedruckten Objekte ihre Form innerhalb des Körpers ändern können und so weitere Operationen überflüssig werden.
In der Kieferorthopädie werden wir in der Lage sein, den Patienten eine präzisere Behandlung zu bieten, die genau ihren Bedürfnissen entsprechen. Hierzu wird der Clear Aligner oder der kieferorthopädische Draht so konzipiert, dass er nach dem Einsetzen in den Mundraum seine Form verändert und schließlich zum gewünschten Ergebnis führt. So wird das Endergebnis mit viel größerer Präzision und einer geringeren Anzahl an Clear Alignern oder Drähten erreicht, weshalb die Anzahl der benötigten Aligner oder Drähte auf ein bis zwei pro Behandlung reduziert werden kann.
Welchen Herausforderungen müssen sich Clear Aligner und und feste Zahnspangen heute stellen?
Ich glaube, dass es derzeit für die Kieferorthopädie drei große Herausforderungen gibt, wenn es um Clear Aligner oder feste kieferorthopädische Maßnahmen geht. Die erste ist der Herstellungsprozess, da es sehr viele Schritte bei der Produktion von Clear Aligner gibt. Dadurch wird das Endergebnis weniger genau, teurer, zeitaufwendiger und bedarf mehr Kontrolle. Die zweite Herausforderung besteht in der Komplexität der mithilfe von Software exakt entworfenen Kräfte zur Herstellung der Clear Aligner. So werden möglicherweise mehr Zubehör oder Attachments auf den Zähnen benötigt um die Einschränkungen von Clear Alignern aufzuheben. Die dritte Herausforderung ist ganz klar der Komfort für den Patienten, da Träger von Clear Alignern oder Zahnspangen zahlreiche Aligner benötigen und Drähte sehr häufig verstellt werden müssen bis das Behandlungsziel erreicht wird.
Wie wird die 4D-Technologie genau diese Probleme angehen?
Die 4D-Technologie verspricht, die oben genannten Probleme nach und nach zu lösen. In der Kurzfassung geschieht das genau so: Die Zähne werden normalerweise 3D gescannt und die Aligner oder kieferorthopädischen Drähte daraufhin mit Hilfe von 3D-CAD-Software auf eine Negativreplika angepasst, die als Stufenmodell die genau die erforderlichen Bewegungen der einzelnen Zähnen anzeigt. Die Software ermöglicht das Einfügen von Gelenken und Zahnschmelz, was auf der einen Seite eine Kontraktion und auf der anderen Seite eine Expansion erlaubt. In der 3D-Software können wir alle Formen der Aligner und Drähte inszenieren, in die das Material nach und nach morphiert. Damit dies gelingt, wird der Aligner oder der Draht von dem 3D-Drucker mit speziellem Meta-Material gedruckt, welches responsiv auf die in der Software konstruierten Gelenke und Schichten reagiert. Wird das 3D-gedruckte Objekt dann im Mundraum platziert, kommen glücklicherweise die zwei effektivsten Stimuli zur Formveränderung des Materials zum Einsatz: Speichelfluss (d.h. Flüssigkeit) und 37 Grad Körpertemperatur (d.h. Wärme).
So trägt der Patient einfach einen Aligner oder Draht, der seine Form allmählich ändert und so leichte kontinuierliche Kräfte auf die Zähne ausübt bis er seine Endform erreicht hat. Jeder Aligner oder kieferorthopädische Draht kann, abhängig von der Bewegung, welche über die Software konzipiert wurde, über fünf Monate lang getragen werden.
Wie würden Sie die Vorteile beschreiben, die die Einführung der 4D-Technologie für die Kieferorthopädie bietet?
Die Vorteile sind ganz klar, da die Behandlung patientenfreundlicher wird. Diese müssen ihren Kieferorthopäden weniger häufig aufsuchen als es vorher der Fall war, da es Überschneidungen mit den neuen Ansätzen der Fernbehandlung in der Kieferorthopädie gibt. Auch werden bei vielen Behandlungen die Refinements überflüssig. Dies gilt auch für die Clear Aligner Therapie, die in diesem Bereich negative Erfahrungen gemacht hat. Vor allem aber ist die Präzision der Kraftanwendung und -verteilung viel präziser, da mit der Software Kaft, Umfang und Zeit exakt kontrolliert werden können. Außerdem kann die Aligner-Stärke nach Bedarf verändert und über die gesamte Behandlung hinweg kontrolliert werden, um die Verteilung von Kraft und Verankerung absolut stabil zu halten und so die Variabilität, die bei früheren Clear Aligner Systemen beobachtet wurde, zu verhindern.
Wann wird diese Technologie auf dem Markt verfügbar sein?
Wir hoffen, dass wir die Technologie schon sehr bald auf den Markt bringen können. Eine sehr realistische Einschätzung ist, dass es schon 2019 so weit ist und dann aktuelle Behandlungskonzepte, die im Moment in der Kieferorthopädie angewendet werden, maßgeblich verändert.
Die Technologie verändert sich heutzutage sehr rasant. Wie sehen Sie das in den nächsten Jahren in der Kieferorthopädie?
Ich halte den 4D-Druck und Augmented Reality in den kommenden Jahren als zwei der größten „Game Changer“ im Bereich der Medizin.